"Denn ich habe gelernt, mir mit dem, was ich habe, genügen zu lassen. Denn ich weiß mich in Niedrigkeit zu schicken, und im Glück mich zurechtzufinden. Ich bin auf alle Dinge eingelernt, kann mich satt essen und hungern, übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag alles durch Den, Der mir dazu das Vermögen gibt, Christus."
Brief an die Philipper 4,11ff
Über wenig Geld zu verfügen kann bedeuten sich nur wenig kaufen zu können. Über wenig Geld zu verfügen kann jedoch auch bedeuten, daß jemand wenig kaufen möchte. Über viel Geld zu verfügen kann bedeuten in seinem Leben sehr unfrei zu sein. Über viel Geld zu verfügen kann jedoch auch bedeuten sich viel kaufen zu können.
Was soll das?
Kampf gegen Armut kann bedeuten, daß dafür gekämpft wird Menschen mehr Geld zukommen zu lassen. Kampf gegen Armut kann jedoch auch bedeuten einen materiell anspruchslosen Lebensstil zu bekämpfen.
Nein, werden jetzt vermutlich viele denken. Gegen Armut einzutreten ist etwas sehr Gutes. In heutigen stark materialistisch-konsumsektiererisch geprägten Gesellschaften existiert praktisch keine Kritik an Armutsbekämpfung. Wieso sollte auch jemand dagegen sein? Rätselhaft.
Liebe zu weltlichen Dingen, Habgier, ist z.B. aus christlicher Sicht betrachtet nicht gerade positiv besetzt. Natürlich, Menschen in materieller Not zu helfen ist ein kernchristlicher Wert. Aber was ist echte Not und was bedient geistig ungute Habgier? Ist es aus christlicher Sicht unbedenklich mit statistischen Durchschnittswerten so zu hantieren, daß selbst im absurdesten materiellen Überfluß praktisch immer irgendjemand als "arm" eingestuft wird, solange keine weitgehende Einkommens- oder Vermögensgleichheit besteht, die wahrscheinlich nie bestehen wird, schon weil es Leute gibt die das meiste eigene Geld vergeuden aber auch solche, die es aufsparen und überwiegend werterhaltend ausgeben? Oder leistet das einer Kultivierung widergeistiger Habgier und Weltliebe Vorschub?
Ist es Nächstenliebe einem Menschen, der weit davon entfernt ist zu verhungern oder ohne Bedeckung zu sein (Schutz vor Witterung durch Kleider und Bauwerk) und der kläglich jammert, daß er z.B. irgendeinen technischen Schnickschnack nicht besitzt und sein Leben daher "menschenunwürdig" sei, dabei zu helfen diesen zu beschaffen und ihn so auch in seiner Haltung zu bestärken? Oder wäre es viel eher Nächstenliebe seinen Blick darauf zu lenken, daß seine Haltung (nicht der angestrebte Besitz an sich) geistig gesehen eventuell Habgier darstellen könnte und er sich eventuell damit selbst unglücklich macht? Denn aus der inneren Unfähigkeit zufrieden zu sein weltliche Dinge anzustreben dient dem Menschen nicht, sie ist Ausdruck eines geistigen Mangels, der geistig behoben werden müßte. Sieht ein selbst stark verweltlichter Mensch, der sich als Christ betrachtet diesen Umstand möglicherweise gar nicht mehr?
Das mit der Armutsbekämpfung ist schon so eine Sache. Auch wenn man das Christentum beiseite läßt.
Wenn ein Staat Armut bekämpft und sie begreift wie ein Konsumsektierer, dann schafft er Regeln, durch die z.B. die Verantwortung für Kinder in Sorgerechtsangelegenheiten oder in Adoptionssachen tendenziell denjenigen zugesprochen wird, die über "genügend Geldmittel" verfügen. Er kämpft gegen "Slums" und "Elendssiedlungen", räumt gewaltsam "menschenunwürdigen Wohnraum", er verbietet fahrendem Volk (eine Selbstbeschreibung: "Die letzten freien Menschen") bis heute brutal seine Lebensweise, stahl ihnen früher ihre Kinder (angeblich zugunsten ihrer Menschenwürde), führt mehr und mehr Geldabgaben ein, die ohne Ausnahme jeder zu zahlen hat, egal ob er mit Geld wirtschaftet oder nicht (z.B. "Rundfunkbeitrag"), macht einfaches Wohnen schwerer und schwerer und schafft so künstlich eine Unfreiheit, einen Zwang zu Luxus und zum mühsamen Erwerb dieses Luxus, der Zeit kostet, der in die Erwerbsstrukturen nötigt, die ein Nektar des Finanzsystems sind.
Bei der Betrachtung solcher Fälle wendet sich die Betrachtungsweise. Das bedeutet nicht, daß es automatisch schlecht wäre, wenn ein Staat materielle Güter umverteilt, so er es denn in einer lebensunschädlichen Weise tun würde. Man könnte sagen, daß ein Staat, der sich noch immer auf Gott beruft, diesem Gott in seiner menschlichen Form vielleicht lieber kein Kind anvertrauen würde, sondern lieber einem Pontius Pilatus, so wie auch nicht anspruchslos wirtschaftenden guten Menschen, die oft Kindern gerade besonders die Zeit und Zuneigung geben könnten, die ihnen gut täte.
Der Kampf gegen materielle Armut im praktisch armutsfreien Überflußland ist längst eine Sache der Selbstlegitimierung, von Propaganda der Konsumsekte geworden. Es wird schlichtweg vorausgesetzt, daß immer mehr materieller Besitz der Zufriedenheit der Menschen dienlich sei. Und fast alle Deutsche glauben das tatsächlich unreflektiert. Ein vermeintlicher Recht auf Schutz vor Armut wird in der von Lebensfremden ausgeübten Praxis schnell zu einer Pflicht aufwändiger zu wirtschaften, zu Entmündigung und Knechtung durch damit verbundenen Aufwand an menschlicher Lebensenergie und ökonomischem Beschaffungsdruck. Zu einer Abkehr von möglicher geistiger Einkehr.
Braucht es unter uns weniger Armut? Oder eher mehr? Sollten wir gegen Armut oder besser für Armut kämpfen?